F.acT: Wie kam es dazu, dass ihr Dynamic Pricing in euren Skigebieten eingeführt habt?
Markus Redl: Schon vor der Pandemie hatten wir bei den Annaberger Liften die konventionelle Kassa durch Self-Service ersetzt, um Kundendaten – sprich E-Mail-Adressen – zu sammeln und DSGVO-konform zu nutzen. Denn Skigebiete rund um Wien müssen Tagesgäste an sich binden, zu möglichst vielen Besuchen animieren. Idealerweise an Tagen, die nicht ohnehin stark nachgefragt sind.
In der Pandemie mussten wir als Skigebiete in Niederösterreich und angrenzender Steiermark das „Prinzip des gültigen Tickets“ einführen. Vorab gekauftes Onlineticket oder Saisonkarte waren 2020/2021 sogar Voraussetzung dafür, das Skigebiet betreten zu dürfen. Diese außergewöhnliche Situation hat dazu geführt, dass der Onlineanteil auf gut 90 % hinaufgeschnellt ist.
Wir haben eine zahlenmäßige Obergrenze eingezogen, über zeitgebundene Tickets Besucherströme entzerrt und in einem gemeinsamen Marktplatz die Verfügbarkeiten für den Gast übersichtlich dargestellt – trotz unterschiedlicher Webshops, mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen. Die Resonanz seitens der Gäste war positiv, die Durchschnittserlöse deutlich erhöht.

Das war Ausgangspunkt für eine seit 2021 von Isabella Hinterleitner geleitete Digitalisierungsoffensive der ecoplus Alpin GmbH: Wir wollen durch Digitalisierung besser und wirtschaftlicher werden, dazu neue Produkt- und Preisstrategien umsetzen – Dynamic Pricing ist nur ein Teil davon, wenn auch ein wichtiger.
F.acT: Welche Lehren zieht ihr daraus nach der ersten Wintersaison?
Markus Redl: Wir haben zu Beginn der heurigen Wintersaison gesagt, dass bei Hochkar Bergbahnen, Ötscherliften, Annaberger Liften und Erlebnisalm Mönichkirchen der jeweils gültige Onlinepreis der neue Normalpreis ist – und als solcher um rund 15 % günstiger als vor Ort an der Liftkassa oder beim Ticketautomaten. An starken Tagen haben PromotorenInnen die Gäste bei Registrierung und Onlinebuchung unterstützt, ansonsten die MitarbeiterInnen an der Kassa ihre Hilfe angeboten. Im Ergebnis liegt unser Onlineanteil um die 60 % des Umsatzes, wobei das gesamte Gruppengeschäft noch nicht über den neuen Webshop läuft.
Wir haben zudem „flexible Preise“ eingeführt. Ein dynamisches Preismodell von Pricenow berechnet täglich aufgrund von historischer und tatsächlicher Nachfrage sowie – kurz vor dem zu buchenden Tag – der Wettervorhersage neue Preise. Natürlich haben wir dem Algorithmus preisliche Ober- und Untergrenzen vorgegeben. Wir mussten heuer aufgrund des ungewöhnlichen Wetters leider an relativ vielen Betriebstagen die Preise (bzw. die Daily Base Rate) manuell heruntersetzen. Die Preissensibilität scheint jedenfalls eher gering zu sein, Schnee und Wetter dürften die Kaufentscheidung dominieren.
Der Frühbucherrabatt ist für die Kommunikation sehr hilfreich, zumal jederzeit auf die so deutlich günstigeren gewährten Preise verwiesen werden kann. Wie erwartet wurde der Frühbucherrabatt bei Mehrtageskarten bereits gut angenommen, bei Tages- oder Stundenkarten deutlich geringer. Wir haben während der Wintersaison ein „Sorglos-Paket“ um drei Euro für kostenloses Storno bei Eintages- und Stundenkarten eingeführt. An und für sich ist die Flexibilität in der Produkt- und Preispolitik ein strategischer Vorteil. Aber wir müssen auch erst Erfahrungen sammeln, was das richtige Maß anbelangt – unsere Gäste sollen sich ja auch an gewisse Standards gewöhnen können.

F.acT: Wie wollt ihr diese Strategie langfristig weiterentwickeln?
Markus Redl: Unser Zielbild ist ein Marktplatz, an dem alle relevanten Seilbahnbetriebe rund um Wien teilnehmen. Deshalb haben wir nicht nur in der Pandemie, sondern auch bei der Entwicklung der Ausschreibung im Zuge der Digitalisierungsoffensive mit diesen Skigebieten zusammengearbeitet. Wir sind Konkurrenten, aber über Kartenverbünde ja auch jetzt schon gleichzeitig Kooperationspartner.
Natürlich wollen wir unseren Gästen gegen Bezahlung diverse Mehrleistungen anbieten. Da experimentieren wir mit VIP-Stellplätzen. Ganz generell ist Parkraummanagement von essenzieller Bedeutung für die Besucherlenkung. Oft sind PKW-Stellplätze die knappste Ressource. Trotzdem wollen wir die Parkplätze eben nicht mehr erweitern, sondern durch Digitalisierung den Bestand besser nutzen und andere Mobilitätslösungen forcieren.
Isabella Hinterleitner und ich haben in der Session 1 „Zukunft und Ausblick des Tourismus“ bei den INTERALPIN INSPIRATION DAYS am 20.04.2023 ab 9.30 Uhr bis 11.00 Uhr (im Forum der Messe Innsbruck) referiert. Mehr dazu unter Inspiration Days 2023 - Interalpin