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Equal Pay Netz - Gleichstellung beginnt hier

Das ESF+ Projekt Equal Pay Netz setzt sich für Chancengerechtigkeit und eine nachhaltige Verbesserung des Lebenseinkommens von Frauen ein. Finanziert aus Mitteln der Europäischen Union und des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, adressiert das Projekt zentrale Herausforderungen zur Reduzierung des Gender Pay Gaps in Österreich.
Interview: Christian Putzer - EPN Regionalleitung Innsbruck

F.acT: Aus welcher Problemstellung heraus ist das Projekt „equal pay netz“ entstanden und welche Zielsetzung verfolgt es?

Christian Putzer: Aufgrund statistischer Auswertungen in der EU und in Österreich wurde mit Unterstützung von ESF (60%) und dem BM für Arbeit und Wirtschaft (40 %) - seit März 2025 das BM für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege, Konsumentenschutz, das Projekt 2023 in Österreich initiiert und durch eine Ausschreibung an die ÖSB Consulting GmbH, Wien öffentlich vergeben.

Die Problemstellung ist durch folgende Umstände in unterschiedlicher Ausprägung in den EU-Ländern geprägt:

  • Niedriglohnbranche Tourismus und Industrie in allen EU-Ländern
  • Viele Teilzeitarbeitskräfte in diesen Branchen, besonders geprägt durch einen hohen Anteil von Frauen in diesen Branchen
  • Care-Arbeit (Kinderbetreuung, Seniorenbetreuung) wird in den meisten Ländern mehrheitlich durch Frauen übernommen
  • Frauen verlieren damit Versicherungszeiten für die eigene Pension, damit droht Abhängigkeit vom Partner, bzw. Altersarmut aufgrund zu geringer Pensionen

Um diesen Umständen entgegenzuwirken hat das Ministerium diese Initiative gesetzt mit folgenden Zielsetzungen:

  • Sensibilisierung der Gesellschaft und v.a. der Unternehmen im Tourismusbereich (für Tirol und Kärnten) bzw. in der Industrie (für OÖ und Steiermark)
  • Analyse der Umstände in diesen Pilotregionen aufgrund einer Onlinebefragung, Interviews und Fokusgruppen
  • Erforschung der Treiber (Umstände: Carearbeit) die Frauen in diesen Branchen motivieren zu arbeiten
  • Lösungsansätze von betroffenen Personen aus der Branche zu finden
  • Um Maßnahmen für die betroffenen Frauen zu initiieren und Verbesserung der Arbeitsverhältnisse zu bewirken

F.acT: In einer ersten Erhebungsrunde wurden Sekundärdaten erhoben und mit einer Befragung im Managementbereich und unter Beschäftigten im Tourismus sowie Netzwerkpartner:innen-Interviews und Fokusgruppen zu Beginn des Jahres ergänzt. Was sind – basierend auf diesen Ergebnissen – die dringendsten Handlungsfelder, die sie definieren konnten?

Christian Putzer: Wichtigste Erkenntnisse aus der Region Innsbruck im Tourismus:

  • Die Tourismusbranche in der Region Innsbruck wird ambivalent wahrgenommen. Es gibt flexible Arbeitzeiten und betriebliche Zusatzleistungen, aber das Image ist familienunfreundlich und bietet eine wenig chancengerechte Arbeitwelt. Teilzeitarbeit ist oft nicht selbstgewählt sondern durch Betreuungspflichten bedingt. Saisonale Beschäftigungsverhältnisse erschweren eine verlässliche berufliche Planung.
  • Tourismusbeschäftigte arbeiten zu 19 % in Vollzeit und zu 81 % in Teilzeit. Männer sind zu 56 % vollzeitbeschäftigt, Frauen zu 44 %. Vereinbarkeit von Beruf und Familie bleibt die Herausforderung.
  • Chancengleichheit bei Stellenbesetzungen ist grundsätzlich positiv, doch gibt es strukturelle Barrieren, wie sprachliche Kenntnisse, ausländische Qualifikationen und führt zu schlechteren Einstufungen.
  • Männer sind häufiger in höhren Gehaltsbereichen bei Bruttojahresgehältern vertreten als Frauen. Männer tragen häufiger Personalverantwortung und werden besser bezahlt. Zusatzleistungen werden häufig informell ohne nachvollziehbaren Kriterien vergeben. 

Die wichtigsten Handlungsfelder/Lösungsvorschläge:

  1. Mentoring- und Weiterbildungsprogramme für Frauen: Ausbau von Mentoring-Angeboten für Frauen sowie gezielte Weiterbildungsmaßnahmen, um Chancengleichheit in Führungspositionen zu fördern.
  2. Sensibilisierung und Schulungen: Regelmäßige Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeitende zu Themen wie unbewusste Vorurteile, Gleichstellung und faire Verhandlungsführung.
  3. Flexible Arbeitsmodelle: Förderung von flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitmodellen, um Chancengleichheit für Mitarbeitende mit unterschiedlichen Lebenssituationen zu gewährleisten.
  4. Transparente Beförderungs- und Gehaltssteigerungsprozesse: Klare Kriterien für Beförderungen und Gehaltserhöhungen, die offen kommuniziert werden.
  5. Kooperation mit Branchenverbänden/vorhandenen Netzwerken: Zusammenarbeit mit touristischen Verbänden und Gewerkschaften, um branchenweite Standards und Best Practices zu entwickeln.
  6. Unterstützung bei Elternzeit und Pflegezeiten: Flexible Lösungen und faire Bezahlung während längerer Abwesenheiten, um Chancengleichheit auch in Familienphasen zu gewährleisten.

F.acT: Wie werden nun konkret Lösungsansätze für diese Problemfelder entwickelt?

Christan Putzer: In der aufgebauten Steuerungsgruppe werden auf der Basis der Ergebnisse der Studie und den selbst gesetzten Schwerpunkten für die Region Innsbruck 22 Maßnahmen erarbeitet, die in den nächsten 2 Jahren im Projekt von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe umgesetzt werden. Dabei werden auch nationale oder internationale Experten zu den Aktivitäten eingeladen, um den Wissensaustausch zu unterstützen. Die bereits existierenden Organisationen, Netzwerke für Frauen und Initiativen werden eingeladen gemeinsam mit der Regionalleitung diese Veranstaltungen umzusetzen. Die Bandbreite der Aktivitäten kann sehr breit angelegt werden, wie z.B. Infoveranstaltungen, Seminare für Frauen, Kooperationen mit Neztwerkpartnern von vorhandenen Organisationen, Einbindung wissenschaftlicher Erkenntnisse, Vorstellung von Best Practice-Beispielen für interessierte Unternehmen aus der Tourismusbranche.

Derzeit werden die ersten Veranstaltungen für 2025 von der Steuerungsgruppe geplant. Es ist beabsichtigt dass im September/Oktober 2025 die ersten Veranstaltungen starten. Zur Halbzeit im Juni 2026 wird eine Zwischenevaluierung durchgeführt. Das Projekt selbst wird mit eine Abschlussveranstaltung in Salzburg im Mai 2027 abgeschlossen. Die nachhaltige Zielsetzung ist, dass das aufgebaute Netzwerk über das Jahr 2027 weiterbesteht und eigenständig weitere Aktivitäten zur Zielerreichung durchführt.

Christian Putzer

Christian Putzer ist seit 33 Jahren selbständiger Unternehmensberater, spezialisiert auf Marketing, Vertrieb, HRM, Interkulturelles Management. Als Berufsgruppensprecher der Unternehmensberater in Tirol steuert er die Experts Groups in der Wirtschaftskammer und vertritt die Mitglieder im Fachverband UBIT in Österreich. Seit 2024 ist er als Regionalleiter im Rahmen des Equal Pay Netz-Projektes des ESF und des Sozialministeriums für die Umsetzung von Maßnahmen in der Region Innsbruck in der Tourismusbranche zuständig.

Schlüsselwörter
Diversität
Geschlechtergerechtigkeit
Arbeitskräfte

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