Fac.T: Frau Reitterer, Sie haben das Boutiquehotel Stadthalle in ein nachhaltiges Vorzeigehotel verwandelt. Wie begann Ihre Reise in Richtung Nachhaltigkeit, und welche Herausforderungen mussten Sie dabei überwinden?
Michaela Reitterer: Als ich 2001 das Hotel übernahm, hatte ich eine klare Vision: Ein nachhaltiges Hotel zu führen, das nicht nur ressourcenschonend arbeitet, sondern auch soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt. Damals war Nachhaltigkeit noch kein großes Thema in der Hotellerie, und ich musste viel Pionierarbeit leisten.
Wir haben unser 140 Jahre altes Haus 2009 erweitert und dabei ein Passivhaus mit einer Grundwasser-Wärmepumpe, einer Photovoltaikanlage und thermischen Solarpanelen angebaut. Zudem haben wir verschiedene Maßnahmen eingeführt, um den Energie- und Wasserverbrauch zu reduzieren, etwa durch LED-Beleuchtung, wassersparende Ecowaterjets und Brunnenwassernutzung für Toilettenspülungen. Auch die Entscheidung, Minibars aus den Zimmern zu entfernen, hat dazu beigetragen, jährlich 21.000 kg CO2 einzusparen.
Die größte Herausforderung bestand darin, meine Ideen gegen Skepsis und Vorurteile durchzusetzen. Viele hielten es für unwirtschaftlich, ein Hotel mit einem nachhaltigen Konzept zu führen. Doch mit viel Durchhaltevermögen, Optimismus und einem starken Team ist es uns gelungen, das erste Net-Zero-Energy-Hotel in Wien und in allen europäischen Städten zu werden.

Fac.T: Sie haben das Konzept der SDG-Zimmer eingeführt, um die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zu integrieren. Wie kam es zu dieser Idee, und wie reagieren Ihre Gäste darauf?
Michaela Reitterer: Nachhaltigkeit bedeutet für uns, ganzheitlich zu denken und zu handeln. Deshalb haben wir uns 2020 dazu entschieden, alle 17 SDGs aktiv in unser Hotelkonzept zu integrieren. In Zusammenarbeit mit der sozialen Organisation "garbarage" haben wir 17 Zimmer geschaffen, die jedes einem der SDGs gewidmet sind. Dabei verwenden wir Upcycling-Möbel, wie Lampen aus alten Nudelsieben oder Kleiderständer aus E-Ladestationen. Unsere Gäste erhalten bereits beim Betreten der Zimmer Informationen zu dem jeweiligen SDG und können über QR-Codes weitere Details abrufen.
Die Resonanz unserer Gäste ist durchweg positiv. Etwa 60-70 % unserer Buchungen erfolgen aufgrund unseres nachhaltigen Konzepts. Es ist schön zu sehen, dass unsere Vision von einem verantwortungsbewussten Tourismus Anklang findet. Besonders freut mich, dass auch unsere Mitarbeitenden aktiv eingebunden sind und als SDG-Botschafter fungieren. Der Erfolg dieses Konzepts hat uns dazu motiviert, aktuell zehn weitere SDG-Zimmer zu gestalten.

Fac.T: Was empfehlen Sie anderen Unternehmer:innen, die nachhaltige Konzepte in ihre Unternehmen integrieren möchten?
Michaela Reitterer: Mein wichtigster Rat ist: Einfach anfangen! Nachhaltigkeit ist kein Projekt mit einem Enddatum, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Der erste Schritt ist oft der schwerste, aber es lohnt sich, den Mut zu haben, neue Wege zu gehen. Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Marketinginstrument bleibt, sondern in der gesamten Unternehmensstrategie verankert wird. Und das Wichtigste zum Schluss: es muss authentisch sein.
Außerdem sollte man sich nicht entmutigen lassen, wenn es anfänglich Gegenwind gibt. Ich habe gelernt, dass es völlig in Ordnung ist, Fehler zu machen, solange man daraus lernt. Die Zusammenarbeit mit einem engagierten Team und die Einbindung von Mitarbeitenden sind entscheidend, denn nur gemeinsam lassen sich nachhaltige Veränderungen wirklich umsetzen.
Schließlich ist es auch wichtig, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und voneinander zu lernen. Wir haben beispielsweise eine "Green Community" für nachhaltige Unternehmen in Wien ins Leben gerufen, um uns gegenseitig zu unterstützen. Denn nachhaltiges Wirtschaften ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die langfristige Rentabilität eines Unternehmens.